Frühlingsanfangs-Brösel

1. Neues vom Gonzo Verlag

Im Gonzo-Verlag erscheinen dieser Tage/Wochen zwei Bücher mit meiner Beteiligung: ein Hunter S. Thompson Sampler (Fledermausland) und eine Sammlung von Geschichten, die ich im Laufe der Jahrzehnte für Zeitungen/Zeitschriften – von der Schülerzeitung über die TAZ, Esotera, Das Parlament etc. – geschrieben, also selber nie in Grünen Zweigen verlegt habe. Verlegerin Miriam Spies klärt die EWelt auf:

Es ist Tag zwei nach der Leipziger Buchmesse und noch halten sich
Geschlauchtheit, Angeschlagenheit & Euphorie die Waage. Nach der (den
Messen stets inhärenten) Eigenweltlichkeit, fällt die Reintegration in
das, was man landläufig „Alltag“ nennt, wie immer etwas schwer. Aber
zwischen all den Visitenkarten, Manuskripten und Eindrücken, die man
von solchen Veranstaltungen mitzubringen pflegt, findet sich eben auch
eine gute Portion Aktionismus und der Wille, sich endlich den
Winterschlaf aus den Augen zu reiben und in die Hände zu spucken. Und
auf meinem Schreibtisch ruht nun schon länger ein langsam
unüberschaubarer Stapel von Manuskripten und angefangenen Büchern, die
endlich in Angriff genommen werden wollen.

Lange, lange angekündigt und ab nächster Woche auslieferbar ist die
Anthologie „Fledermausland. Diverse Wahrheiten über Wasserstände,
Paranoia, Journalismus und Hunter S. Thompson.“ (Ich glaub da muss ich
nicht mehr viel zu sagen, das hab ich ja an verschiedenen Stellen schon
ausufernd getan.) Die ersten Exemplare wurden bereits zur Messe
geliefert und obwohl man das ein oder andere in Frage stellen kann, bin
ich unterm Strich doch ganz zufrieden damit. Okay, ich bin ja auch
befangen. Um so mehr freu ich mich über euer Feedback. Sobald die
restlichen Exemplare aus der Druckerei kommen, vericke ich auch die
Belegexemplare an die Autoren. Bestellen kann man das gute Stück (auch
jetzt schon) hier:
http://www.gonzoverlag-shop.de/gonzoverlag/fledermausland-anthologie/
oder natürlich in der Buchhandlung eures Vertrauens.

Ich werd mich jetzt an „Krause Haare, krauser Sinn“ setzen, das „Werner
Pieper-Lesebuch“, auf das ich mich auch schon sehr freue. Ein bisschen
schade ist es schon, wenn das Buch endlich im Druck ist, denn das waren
mit die schönsten Tage des letzten halben Jahres, wenn ich zu Werner in
den Odenwald gefahren bin, um mit ihm über das Buch zu reden, wir lange
Expeditionen durch die Wälder und Wiesen unternommen, Fotoalben
durchgeguckt, alte Briefwechsel gelesen, Dokumente gesichtet und Platten
(also: CDs) gehört haben. Aber Folgeanlässe werden sich zur Genüge
finden.

•••

2. Kollege Liam Pieper

In der FASZ fand ich vor zwei Wochen einen Literatur-Tip:
„Eines der schönsten, lustigsten und traurigsten Bücher, die ich in den letzten anderthalb Monaten gelesen habe ich „The Feelgood Hit of the Year“ von dem australischen Autor Liam Pieper, der ich über lange Strecken selbst finanzierte, indem er Drogen verkaufte, nicht ausschließlich, jedoch auch an seine blöden Hippie-Eltern.
Ich nahm sofort mit Liam Kontakt auf, ohne sein Buch bislang gesehen zu haben, aber auch ohne dieses ist es eine witzige Geschichte.

„ Dear Werner,
… Yes, a friend sent me that review. It was very flattering, and since the book is not available in German, it was a very nice surprise to see it mentioned in the Frankfurter Allgemeine Zeitung.
No, there aren‘t too many people who write about being a drug dealer, and I figured out why after I‘d published. I live in Australia, and it‘s a very conservative country, really, so many people were upset.
Wow! I would have liked to know Albert Hofmann and Tim Leary, I bet you have some stories to tell.
Yes, the family name is German. I am descended from Friedrich Otto Pieper, who was born in 24/9/1824 in Tangemunde, in what was then Prussia, and Marie Dorothea Salau, also from Tangemunde. They emigrated to Australia around 1850 on the barque ‚Princess Louise‘, which sailed from Hamburg.
Today there‘s a couple of dozen Piepers scattered through Australia – mainly around Sydney and a small town called Bendigo.
I‘m sorry, but I‘m not great at reading German. I can understand a little, but it takes me a very long time. That said, I would love to read any of your books that have been translated into English. I‘m especially interested by the book about amphetamine in the Third Reich. I was just talking to a friend about ‚Panzer chocolate‘ the other day.
I‘d love to trade you a copy of ‚The Feel-Good Hit of The Year‘ but it‘s not easy to procure in Germany. Do you like to read e-books? You can buy the e-version for a phone or Kindle for about 10 Euro.
Alternatively, I‘m hoping to visit Germany sometime in the middle of the year, so I could just bring you a copy. My parents are also planning to be in Europe around September, and would love to meet you if you are willing.“

I am definitly willing, denn diese Geschichte entwickelt sich doch zu schön: Liam stammt von seinem Vorfahr Otto Pieper ab, so wie ich von meinem Vater Otto Pieper. Und außer Howard Marks und ihm kenne ich keinen Ex-Kollegen, der freizügig über seine Dealereien geschrieben hat. … So freue ich mich auf den Sommerbesuch aus down under …

•••

3. !Nami#Nüs

Adolf Lüderitz war ein Tabakunternehmer, den es vor über 100 Jahren ins heutige Namibia verschlug … und dort benannte man eine Stadt nach ihm: Lüderitz. Schon seltsam, in einem afrikanischen Ortsnamen ein ‚ü‘ zu entdecken. Aber nun wid es noch seltsamer: die Regierung möchte dem Ort nun wieder seinen ursprünglichen Namen zurückgeben: !Nami#Nüs, das Wort aus der Nama-Sprache für ‚Umarmung‘, das neben einem ‚ü‘ auch mehrere Klicklaute beinhaltet und für uns unaussprechlich und – so die Angst einiger – nicht computerkompatibel sei, und daher auch abträglich für Touristen. Wahrscheinlich wird darob demnächst abgestimmt.
Schon vor zwei Jahren wurde der nach Graf Leo von Caprivi benannte ehemalige Caprivi-Streifen in Zambesi-Region umbenannt.

• Update zum Grünen Zweig 246 ‚Von der Bosheit im Herzen der Menschen‘

•••

4. Mikado-Triumpf

Vor genau 40 Jahren, zum Frühlingsanfang 1975 veranstaltete ich in der Stiefelhütte, nahe der Lichtenklinger Quelle, das erste Odenwälder Mikado Törnier, zu dem Teilnehmer von weit her angereist kamen; ja, in Herten, Osnabrück & anderswo hatte es sogar Vorab-Ausscheidungsturniere gegeben. Und auch wir, vor allem Ariel, Ulli & ich, hatten gut trainiert. Ich hatte mir z.B. die Nägel meiner kleinen Finger sehr lang wachsen lassen, um die Stäbchen einzeln aushebeln zu können.
Nun fand ich unter einem Buchregal die Siegerurkunde: Den 1. Platz belegte mit 210 Punkten … yours truely … Danach habe ich wohl nie wieder Mikado gespielt.

•••

5. Dank für all die Geburtstagswünsche letzthin.
Hier eine Meldung, stellvertretend für etliche, von Herzog Johnny von Schnarchenreuth; und, ja auch ich hatte vor Jahrzehnten Kontakte zu Klaus und Bernd; Herzog Johnny gab vor langer Zeit einen Grünen Zweig über ein Wasserschloss heraus …:

Werte Gesellschaft, liebes Gefolge,
ich habe nun schon Einiges aus meinen Archivtruhen hervorgekramt, was einen Ausschnitt meiner Geschichte reflektiert, heute aber möchte ich einmal einige andere Personen würdigen, die meine Geschichte nachhaltig beeinflußt und die in den letzten Tagen Geburtstag gefeiert haben.
In der Reihenfolge ihres Auftretens ist da zuerst
Klaus Walz, ein Freund seit den frühen 70ern, als er mir das begehrteste Mädchen Dortmunds vor der Nase wegschnappte „wink“-Emoticon . Aber nicht nur das zeichnete ihn aus, sondern auch und besonders seine Musik. Zuerst war er mit „Epitaph“ Mitbegründer des deutschen „Krautrocks“, dann und immer noch mit „Jane“ prägte er das musikalische Zeitgefühl unserer Generation.
Bernd Barnelli Witthüser, Übervater der deutschen Liedermacher aus den späten 60ern, der 1975 auf meine Burg kam und als mein Hof-Barde wohl auch als der Übervater aller folgenden „Mittelaltermusiker und (zusammen mit Otto als die Too much Brothers) Mittelalter – Bands“ gelten kann. Sein ungebändigter Freigeist ist „still moving on“
Werner Pieper, was wäre die „Alternativ-Szene“ ohne ihn, und gäbe es die „Grünen“ überhaupt ohne ihn als Wegbereiter? Ein ständig sprudelnder Quell, eine Inspiration, ein Publizist wie es keinen zweiten gab und gibt, Herausgeber von „Kompost“, Humus“ und vielen anderen Zeitschriften, Prophet und Mahner, wenn ich das mal so formulieren darf. Mit ihm durfte ich die „Stockhauser Gut(s)schrift“ als „Grüner Zweig“ herausbringen.
Allen Dreien möchte ich an dieser Stelle meinen Dank dafür aussprechen.
Hey Buddies, auch hier noch mal alles Gute zum Geburtstag, ihr seid tolle Typen und ich wünsche euch an dieser Stelle, dass ihr gesund und fröhlich steinalt werdet und uns noch lange begleitet! Euer Herzog Johnny. „wink“-Emoticon

•••

6. LSD besser als sein Ruf

Naja, für unsereins keine Überraschung, aber für viele jener, die keine eigenen positiven Erfahrungen mit Hofmanns Tropfen gemacht haben wohl doch. Leider ist die Behauptung „Worlds First Imaging Study of the Brain on LSD“ nicht ganz korrekt. Schon 1985 durfte ich mir als legales Versuchskaninchen eine Dosierung von Original Sandoz-LSD aussuchen, die mir dann im Keller des Lanz-Krankenhauses in Mannem gefixt wurde. Während des Versuches hatte ich Elektroden am Kopf und konnte meine Hirnströme auf einem Bildschirm beobchten. Damals ging es um den Hemispheren-Shift, Interaktionen zwischen der rchten und der linken Hirnhälfte. Leider habe ich von diesen Versuchen (die ich ebendort auch mit Ketamin machte) nie einen offiziellen Bericht gelesen …

Hier mehr über die aktuellen Versuche:
http://walacea.com/campaigns/lsd/

•••

7. Denk Mal

Carsten Labuda von den Linken hat im Gemeinderat Weinheim vorgeschlagen, meine persönlichen Feinde, die drei Nazi-Krieger aus der Innenstadt auf den Friedhof umzusetzen. Und er bekommt für den Plan Unterstützung:

„Heute wende ich mich als Vorsitzender Volksbund Dt . Kriegsgräber an Sie. Mit Wohlwollen habe ich Ihren Antragsversuch verfolgt, zum Verlegen des Denkmals auf den Friedhof. Ich möchte Ihnen mitteilen, daß ich als Vorsitzender mit Heiner schon vor ca 4 Jahren darüber gesprochen habe, da wir uns im November bei der Kranzniederlegung zum Volkstrauertag nicht mehr wohlfühlen. Alleine in der Bahnhofst. Auch mit der Renovierung der Schriften, kommen wir, Mangels Helfer nicht weiter. Wenn immer Sie Unterstützung in einer Aktion Verlegung brauchen stehen wir als Volksbund hinter Ihnen, denn die Gestaltung auf dem Friedhof wäre unser Ziel, mit dem Anbringen der Namen der Gefallenen Soldaten in neuer Manier.
Vielleicht erleben wir es noch. Für unsere Sache wäre es ein Gewinn, denn Rückhalt haben wir in der Bevölkerung nicht wirklich und auch die Alten sterben aus.“

Vielleicht tut sich ja in der Denkmal-Angelegenheit etwas, bevor eine Neuauflage des Buches zum Thema in Druck geht.

•••

8. Roter Turm

Vergriffen ist mein Buch über den Roten Turm, aber die derzeitigen Turm-Halter planen wohl ein neues, in dem dann auch die Ergebnisse dieser Aktion dókumentiert sein dürften:
http://www.wnoz.de/index.php?&kat=113&artikel=110864418&red=27&archiv=0&picnr=1

•••

9. Der nackte Mensch ist (in der Öffentlichkeit) illegal

Stephen Gough vertritt die Ansicht, daß er ein Recht darauf habe, nackt zu leben –was ihn wiederholt in den Knast brachte. Ihm gelang es, unbekleidet vom Norden Schottlands bis zu Lands End im Süden England zu laufen. Doch als er nach einer erneutem Knastaufenthalt selbigen nur in Socken und Schuhen verließ, bekam er vom Gericht in Wincester eine Strafe von zweieinhalb Jahren Gefängnis aufgebrummt.
Dagegen klagte er vor dem Europäischen Gericht für Menschenrechte …. und vertlor, seine Einspruch gegen das Urteil wurde im März zurückgewiesen.

Muß jetzt der liebe Gott verklagt werden, weil er uns nackt zur Welt kommen läßt?
•••

10. Über die Londoner Scene der 60er
Joe Boyd – Hoppy Hopkins II

I’ve been making my presence felt in the pages of the Guardian from time to time lately. In addition to my John Hopkins obituary, in December, they published my letter on the vinyl comeback, following a good piece on subject by John Harris.
http://www.theguardian.com/music/2015/jan/09/analogue-makes-a-comeback-in-vinyl
(…)
For those of you who read my newsletter about the late John Hopkins, you may wish to have a look at this wonderful video of an interview with him.
http://internationaltimes.it/john-hoppy-hopkins-interview/ You can read the eulogy I gave at his funeral at the end of this newsletter. There are also photos of the funeral here: http://internationaltimes.it/r-i-p-hoppy/

* * *
Joe‘s eulogy for Hoppy

When I finished recording my bit about Hoppy for Radio 4’s “Last Word”, the producer asked me a very sincere question. “Hoppy seems to have been an extraordinarily talented guy, a leader of men. Why did he stay on the outside, in the underground, why didn’t he try to work within the system, join the labour party or something?”

How do you answer a question like that? How to explain to someone born in the late ‘70s how ridiculous it is? How completely out of the question such a notion was in 1960, in 1964, or 1967, or 1970 for any of us. But above all, how completely impossible that would have been for John Hopkins…

In June of 1964, the morning after my first night on Hoppy’s Westbourne Terrace sofa, he took me out for breakfast. We strolled around the corner and up onto Bishop’s Bridge. Halfway across, perched precariously over the British Rail tracks pointing West, was a café. It was just a shack, really, with a few booths and a garrulous elderly couple brewing tea, making toast, frying eggs and bacon and heating up beans. As you know, that bridge has been completely rebuilt now; the café was probably gone by 1970.

West London is haunted by ghosts – buildings torn down, gutted and rebuilt from inside, garages turned into boutiques or restaurants, Rachman’s flats no longer affordable by the immigrants he may have exploited, but to whom at least he rented. They now sell to bankers for seven figures, or even eight. Even the trustafarians of the’80s and ‘90s have been priced out of the area. The Free School Carnival of 1966 has become the biggest street-party in Europe, with record labels funding bands’ appearance at career-launching stages in front of an international audience in the tens of thousands.

It’s not just bricks and mortar that have been gutted, of course. We are here to celebrate a man who, like those wonderfully shabby buildings, we are probably not going to see the like of again.

Young music fans tell me how much they envy those who were in London in the mid-Sixties, who went to the Free School benefits up the road, to the IT launch party, to UFO, to the 14-hour Technicolour Dream. Was it really that wonderful? That free? Yes, I tell them, it was that wonderful. But not for the reasons they think.

They think it was all about the music. And yes, there was some great music. But it was so much more than that; and the spirit you can never adequately describe to someone who wasn’t there, that spirit was down to one man, the man we are here to remember today.

At the time, I sometimes persevered with my own delusion that it was all about the music. But when Hoppy went to prison I realized how wrong I was – the spirit created the music, not vice versa. And the spirit came from Hoppy.

Everyone one of us, whether we like to admit it or not, was blinkered in some way during those years; we each had our own favourite corner of the revolution. The only one who saw the whole thing in one panorama – the music, the politics, the drugs, the police, the freedom, the poetry, the power struggles, the ramifications and, above all, of course, the joy – was Hoppy.

And central to Hoppy’s vision was the idea of the individual as a conduit – learning from someone who takes the time to teach, then passing that on to others. You soak up information, experience, technology – but you don’t stop there, you pass it on, you make it available, you spread it around, generously, not to build up your ego, or make a bunch of money, but because that’s what we’re on this earth to do, to take the ball from the elders and pass it on to those who come after. Authorities, both left and right, are there to monitor, control and limit that process. If any of you haven’t followed the link to Hoppy’s four-part interview on the IT web page, I urge you to do it. In it, he describes Harold Wilson’s nuclear disarmament betrayal – you can feel the heartbreak. Hoppy join the Labour Party? Not bloody likely…

In those film clips, you see a man of modesty, clarity, intelligence and generosity. Back in the mid-Sixties, he was all that with a huge dollop of energy and joy on top. A sense of wonder was in the air in those years, but Hoppy had such a huge dose of it, as well as a clear idea of what to do with it. However much he learned from his mentors, he multiplied that a hundred-fold in the way he took us all under his wing, showing us new ways of seeing and hearing.

When Hoppy came out of prison, the world had changed, it was much harder to lead a revolutionary rabble than it had been; he told me once that prison had cost him his confidence. His palette was smaller but no less telling – squatters, guerrilla film-makers, marginal communities, the developing world… In more recent years, when those avenues had begun to shrink, he poured that boundless Hoppy love into plants.

I consider myself the luckiest man alive to have run into him in my first week in London and to have ridden with him across the city countless times in that Mini, never getting caught in any of the few traffic jams we had in those days, because Hoppy knew all the back doubles, all the cheap eats, driving fast, but not too fast, all the while dispensing gems of off-hand wisdom, encouragement and enthusiasm. I soaked it up. I can’t imagine what I would be today without those times. We all have those memories – he played no favourites, he wanted us all to join him in the adventure that was his life.

Only at the end did he set himself apart. I was sitting in his hospital room (at a time when we still thought Hoppy would leave the hospital and go home) when James Ware remonstrated with him about not cooperating with his doctors and nurses. “There are a lot of people who care about you very much and want you to stick around. ” Hoppy’s speech wasn’t easy to understand during those last weeks, but his response came across loud and clear – “that’s not a club of which I am a member”.

Hoppy could be cranky, contrary, argumentative, pig-headed. But what a miracle that he could be all those things and almost never make those around him feel bad. He was the great reconciler of opposites, the synthesizer of chalk and cheese, showing how rivals and strangers could work together. When we started UFO, I had my favourite poster artist, he had his. How would we settle it – flip a coin? “They can do it together” said Hoppy and the next thing you know, Nigel Waymouth and Michael English were side by side in a small studio and Hapshash & The Coloured Coat was born.

When I rang up The Guardian obits department the day Hoppy died, they didn’t know who I was talking about. By the time the piece ran over two weeks later, it took up ¾ of the page. History will know what we know. That this world we live in today – some of the best parts of it at least – was shaped by John Hopkins.

Thank you Hoppy.

••••

11. Haiti

http://www.nytimes.com/2015/03/17/world/americas/haitian-president-tightens-grip-as-scandal-engulfs-circle-of-friends.html?partner=rss&emc=rss&_r=0

Haitian President Tightens Grip as Scandal Engulfs Circle of Friends

By FRANCES ROBLES
MARCH 16, 2015

PORT-AU-PRINCE, Haiti — With a brisk clap of his hands, Michel Martelly summed up the first steps he would take if he ever left the music business and became the president of Haiti.

“First thing, after I establish my power, which would be very strong and necessary, I would close that congress thing,” Mr. Martelly was quoted as saying in 1997, when he was still a hugely popular singer. “Out of my way.”

His words have proven prophetic. A political crisis almost four years into Mr. Martelly’s presidency gave life to the fantasy he once described: He is now running the country without the checks and balances of a parliament.

After Mr. Martelly and his opponents in Parliament could not agree on elections, most legislative terms expired, and the seats remain empty. Only 11 elected officials remain in the entire country, and the president is one of them.

For two months, Mr. Martelly has governed Haiti by executive order, concentrating power in the hands of a man who, his critics say, is a prisoner of his past, surrounded by a network of friends and aides who have been arrested on charges of rape, murder, drug trafficking and kidnapping.

As Mr. Martelly strengthens his hold on power, scandals involving those close to him have continued to mount, raising questions about the president’s ability to lead.

One of Mr. Martelly’s senior advisers was jailed for six months during the president’s tenure after being accused of killing a man in a gunfight at the Dominican border. Another friend of the president vanished last year, shortly after being released from jail in a marijuana trafficking case. The prosecutor in that case fled the country fearing retaliation.

Yet another of the president’s associates is in jail, accused of running a kidnapping ring. The authorities are trying to determine whether the man, Woodley Ethéart, who said he worked at the Ministry of Interior, laundered ransom money through a lucrative catering contract at the presidential palace, an investigator familiar with the case said.

One longtime law enforcement official said he stopped going to events at the palace because he kept running into people who had been arrested on charges as serious as murder but were now working at the presidential offices as security guards.

“There they were, in the palace, carrying automatic weapons,” the official said under the condition that his name not be published out of safety concerns.

The Martelly administration’s influence has been criticized most for its effect on the judiciary, where the criminal cases of some people close to the president have stalled or disappeared.

Prosecutors who objected to the administration’s interference were fired or fled, and one judge who complained that the president had meddled in a civil corruption case against the first lady died two days later.

“I would be very concerned of this interconnected web of nefarious characters,” said Robert Maguire, a Haiti scholar at George Washington University. “Martelly has empowered them to do what they do. He has established an environment of corruption, abuse of power and impunity.”

The president’s office did not respond to several requests for an interview since January. The presidential spokesman, Lucien Jura, did not respond to repeated requests for comment.

Mr. Martelly’s allies defended him, saying that the president could not be blamed for the actions of his friends. Several said that he is loyal to a fault, and that he will stand beside old friends no matter what trouble they find themselves in. The president, aides said, wants the best for Haiti but is easily influenced by relatives known for ties to drug trafficking and friends who abuse their proximity to power.

One of those relatives, the president’s brother-in-law Charles Saint-Rémy, said the president and his family had been victims of a politically motivated campaign to discredit them.

“We have had stability for four years,” said Daniel Edwin Zenny, a senator allied with the president. “We used to have 10,000 to 20,000 people protesting on the streets every day. Now we have 1,500 to 4,000, and while they are protesting, the country is moving forward. This is not a big situation yet.”

Mr. Martelly was elected in 2011 after being placed in a runoff despite coming in third in a disputed election. International organizations, with an assist from Washington, helped Mr. Martelly by documenting his opponents’ widespread voter fraud.

Washington’s role in the election and the American ambassador’s warm relationship with him since has hurt Mr. Martelly’s credibility at home, where the president is considered a member of the conservative elite, disconnected from the poor majority.

Still, he is credited with getting the vast majority of residents who lost their homes to the devastating 2010 earthquake out of tent cities. Solar panels light once-darkened streets, and government ministries and hotels are being built. An anticorruption law was enacted, and the president found creative ways to enroll more children in primary school.

The rubble that marred the streets after the earthquake is gone, and so are most of the tents that 1.5 million Haitians lived in, packing parks, road dividers and other corners of open space.

Haiti now has one of the fastest-growing economies in the Caribbean, thanks largely to infrastructure projects financed by the money Haiti saved by buying oil at preferential terms from Venezuela. But even with that growth, and the billions in international aid, 24 percent of Haitians still live in extreme poverty, according to the World Bank.

“Construction is, like, for certain people — rich people. They built new banks, they built new hotels and government buildings,” said Jean François, 52, a father of six who has lived in a hillside tent here for five years. “The government officials drive by this hill every day, but they don’t see us.”

Now that Mr. Martelly can organize elections without consulting opponents in Parliament, it will soon be voting time again. A movement to oust the president appears to be losing steam. A general strike organized by opposition parties in recent days mostly flopped.
Continue reading the main story

“A lot of the progress is a little smoke and mirror,” said Nicole Phillips, a lawyer for the Institute for Justice and Democracy in Haiti, arguing that Mr. Martelly’s administration improved infrastructure and built hotels, but also cracked down on rights activists and manipulated the judiciary to benefit the president’s associates. “They have taken one step forward, but mostly taken two steps back.”

Mr. Martelly’s last prime minister, Laurent Lamothe, was seen by many as cracking down on kidnapping and organized crime. But Mr. Lamothe was pushed out in December as the political crisis between the administration and opposition parties reached its peak.

Among those who protested in the streets demanding Mr. Lamothe’s ouster was Mr. Saint-Rémy, the first lady’s brother, who admits that he sold drugs in his youth but now functions as an unofficial adviser to the president. Mr. Saint-Rémy was furious over the arrest of Mr. Ethéart, who operates an expensive French restaurant known to be one of the president’s favorite hangouts — but who has also been identified by the Haitian National Police as being the leader of Galil, a gang of kidnappers.

Mr. Saint-Rémy started calling senior government officials to plead for his friend’s release, three people close to the administration said. Simon Desras, who was president of Haiti’s Senate during the political crisis, said that one of the recipients told him he considered the call more a threat than request.

“In Martelly’s environment, you don’t find all saints,” Mr. Desras said. “You find demons.”

Mr. Saint-Rémy admitted “having discussions” with senior officials about the case, because he remains firmly convinced that his friend is innocent and was set up by the politically ambitious former prime minister, Mr. Lamothe, in an effort to discredit the president.

“Laurent has been playing heavy politics, because he has always wanted to be the only player standing,” Mr. Saint-Rémy said.

Mr. Lamothe did not respond to repeated requests for an interview.

Mr. Ethéart was arrested last year in connection with the kidnapping of a businessman by gunmen in police uniforms who demanded $1.2 million.

Telephone records showed that Mr. Ethéart was in contact with the kidnappers and, like the hostage-takers, had turned off his cellphone at the precise time of the abduction, according to a police investigative report. A Ministry of Interior license plate found on a vehicle at Mr. Ethéart’s house had been reported in previous kidnappings, an investigator said.

The police tied the case to 15 other kidnappings involving 17 hostages and one murder, the police said.

But irregularities in the investigation quickly emerged. According to government officials, subpoenas to interview several witnesses stalled for months. When the investigating judge ordered the arrest of Mr. Ethéart’s wife and closed the expensive French restaurant the couple operated, another judge had her released and lifted the judicial seal on the restaurant’s doors.

Mr. Ethéart has denied wrongdoing, saying his arrest was the result of his “presidential acquaintances.”

“I’m like a big Kleenex,” he said in a radio interview last year. “They used me and then threw me away.”

Two law enforcement officials in Haiti said that Mr. Ethéart had been arrested in the late 1990s with a naked man in his trunk, who led officers to a nearby murder scene. Mr. Ethéart denied the assertions in the radio interview, but acknowledged that at another time he was found with $178,000 in cash — proceeds, he said, from a music festival in Miami.

His lawyer, Claudy Gassant, said that the prosecution’s evidence was flimsy. “No one in the palace intervened or asked the judiciary to release him. No one,” Mr. Gassant said. “To me, his relationship with the president does not matter.”

Evans Paul, who was named prime minister after Mr. Lamothe’s ouster, said the fact that Mr. Ethéart is in jail awaiting trial proved that the country had an independent judiciary.

“We cannot stop someone from choosing his friends, and cannot give hold him responsible for his friend’s actions,” Mr. Paul said of the president. “Only if you can show there is complicity.”

The National Human Rights Defense Network, a leading human rights organization in Haiti, has argued that the president and his cabinet were complicit in protecting drug traffickers in other cases.

The president was widely criticized for the handling of a 2013 drug-trafficking case involving Evinx Daniel, a prominent hotelier and Martelly campaign supporter who owns Dan’s Creek, a beachfront hotel the president is known to frequent.

Mr. Daniel told the authorities that he had found 23 packages of marijuana floating at sea and decided to bring them home. He called the president’s brother-in-law, Mr. Saint-Rémy, who called the United States Drug Enforcement Administration to pick up the load, the brother-in-law said.

A prosecutor, Jean Marie Salomon, doubted the story, suspecting that it was a ruse to cover up a drug deal that local residents had stumbled upon, and arrested Mr. Daniel on drug-trafficking charges. But the prosecutor was nervous, because he knew the hotelier had been active in the president’s campaign.

The suspect was brought into custody and allowed to make a phone call. He called the minister of justice, the prosecutor’s boss, and handed over the telephone.

“He told me, ‘Commissioner, someone wants to talk to you,’” Mr. Salomon recalled in an interview. “He said, ‘The minister is on the phone.’”

Mr. Daniel was released the next day, and Mr. Salomon was suspended for abuse of power and later resigned. The prosecutor’s police bodyguard never showed up for work again, Mr. Salomon said. ​Mr. Salomon said he saw masked gunmen outside the courthouse just as investigators were calling him to discuss Mr. Daniel’s case.

Shortly after, Mr. Salomon said President Martelly went to Port Salut, about 140 miles west of the capital, and stayed at his friend’s hotel.

“It was not only a provocation from the president, but also a coded message,” Mr. Salomon said. “That day, I understood there was a bounty on me, and my days were numbered.”

Mr. Salomon called the United Nations for help and fled the country, but has since returned.

The hotelier disappeared three months after his release from jail and is widely presumed to be dead.

“Since Martelly arrived in office, state institutions have become weaker than before,” said Pierre Esperance, director of the National Human Rights Defense Network. “We have no rule of law in Haiti.”

Human rights lawyers said the absence of a parliament had left the role of checks and balances to them. A Senate report accused the president of lying about whether he had interfered in a civil corruption case filed against the first lady, but impeachment efforts stalled because of the lack of a quorum in the legislature.

One human rights lawyer, Samuel Madistin, filed a complaint asking for an investigation into the sudden death of Judge Jean Serge Joseph in 2013, two days after telling Mr. Madistin that the president had attended an illegal meeting to pressure him to dismiss the case against the first lady.

A coroner’s report said that a medical examiner who conducted an autopsy in Quebec lacked the medical files in Haiti needed to be certain how Mr. Joseph had died, but that the death was the result of a cerebral hemorrhage.

“I’m not naïve. I know as long as those in office are in power there is no way this case will move forward,” Mr. Madistin said. “By doing this complaint, it’s like throwing a rock. Someday, the rock must fall somewhere.”

•••

12. Zur Sonnenfinsternis

Die war mal wieder beeindruckend, wobei ich nur einfach in dieser sanften GRauheit herumlief, ohne durch ne Brille zu schauen oder mich über %% aufklären zu lassen. Um so mehr hat mich die wortgewaltige Darstellung von Adalbert Stifter fasziniert …

• 12a von Gregory Sams:
Greetings fellow traveller,

To honour the solar eclipse I finally got my head around the rudiments of iMovie on the Mac and created my first video short, with visuals added. It’s trimmed down from a dedicated talking head one made for the Cairns, Australia eclipse festival in 2012. In it I look behind the mechanics of the eclipse, at what is being witnessed and the implications of that to our entire cosmology.
Solar Eclipse – seeing the mind of a star?
https://www.youtube.com/watch?v=GLsVKDWTKXY
Lights of love,
Greg

•••••••

12b – Es war ein so einfach Ding – Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842
von Adalbert Stifter

Es gibt Dinge, die man fünfzig Jahre weiß, und im einundfünfzigsten erstaunt man über die Schwere und Furchtbarkeit ihres Inhaltes. So ist es mir mit der totalen Sonnenfinsternis ergangen, welche wir in Wien am 8. Juli 1842 in den frühesten Morgenstunden bei dem günstigsten Himmel erlebten. Da ich die Sache recht schön auf dem Papiere durch eine Zeichnung und Rechnung darstellen kann, und da ich wusste, um soundso viel Uhr trete der Mond unter der Sonne weg und die Erde schneide ein Stück seines kegelförmigen Schattens ab, welches dann wegen des Fortschreitens des Mondes in seiner Bahn und wegen der Achsendrehung der Erde einen schwarzen Streifen über ihre Kugel ziehe, was man dann an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten in der Art sieht, dass eine schwarze Scheibe in die Sonne zu rücken scheint, von ihr immer mehr und mehr wegnimmt, bis nur eine schmale Sichel übrig bleibt, und endlich auch die verschwindet – auf Erden wird es da immer finsterer und finsterer, bis wieder am andern Ende die Sonnensichel erscheint und wächst, und das Licht auf Erden nach und nach wieder zum vollen Tag anschwillt – dies alles wusste ich voraus, und zwar so gut, dass ich eine totale Sonnenfinsternis im Voraus so treu beschreiben zu können vermeinte, als hätte ich sie bereits gesehen.
Aber, da sie nun wirklich eintraf, da ich auf einer Warte hoch über der ganzen Stadt stand und die Erscheinung mit eigenen Augen anblickte, da geschahen freilich ganz andere Dinge, an die ich weder wachend noch träumend gedacht hatte, an die keiner denkt, der das Wunder nicht gesehen.
Nie und nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert, von Schauer und Erhabenheit so erschüttert, wie in diesen zwei Minuten, es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochen und ich hätte es verstanden. Ich stieg von der Warte herab, wie vor tausend und tausend Jahren etwa Moses von dem brennenden Berge herabgestiegen sein mochte, verwirrten und betäubten Herzens.
Es war ein so einfach Ding. Ein Körper leuchtet einen andern an, und dieser wirft seinen Schatten auf einen dritten: aber die Körper stehen in solchen Abständen, dass wir in unserer Vorstellung kein Maß mehr dafür haben, sie sind so riesengroß, dass sie über alles, was wir groß heißen, hinausschwellen – ein solcher Komplex von Erscheinungen ist mit diesem einfachen Dinge verbunden, eine solche moralische Gewalt ist in diesen physischen Hergang gelegt, dass er sich unserem Herzen zum unbegreiflichen Wunder auftürmt.
Vor tausendmal tausend Jahren hat Gott es so gemacht, dass es heute zu dieser Sekunde sein wird; in unsere Herzen aber hat er die Fibern gelegt, es zu empfinden. Durch die Schrift seiner Sterne hat er versprochen, dass es kommen werde nach tausend und tausend Jahren, unsere Väter haben diese Schrift entziffern gelernt und die Sekunde angesagt, in der es eintreffen müsse; wir, die späten Enkel, richten unsere Augen und Sehrohre zu gedachter Sekunde gegen die Sonne, und siehe: es kommt – der Verstand triumphiert schon, dass er ihm die Pracht und Einrichtung seiner Himmel nachgerechnet und abgelernt hat – und in der Tat, der Triumph ist einer der gerechtesten des Menschen – es kommt, stille wächst es weiter – aber siehe, Gott gab ihm auch für das Herz etwas mit, was wir nicht vorausgewußt und was Millionen Mal mehr wert ist, als was der Verstand begriff und vorausrechnen konnte: das Wort gab er ihm mit: »Ich bin – nicht darum bin ich, weil diese Körper sind und diese Erscheinung, nein, sondern darum, weil es euch in diesem Momente euer Herz schauernd sagt, und weil dieses Herz sich doch trotz der Schauer als groß empfindet«. – Das Tier hat gefürchtet, der Mensch hat angebetet.
Ich will es in diesen Zeilen versuchen, für die tausend Augen, die zugleich in jenem Momente zum Himmel aufblickten, das Bild und für die tausend Herzen, die zugleich schlugen, die Empfindung nachzumalen und festzuhalten, insofern dies eine schwache menschliche Feder überhaupt zu tun imstande ist.
Ich stieg um 5 Uhr auf die Warte des Hauses Nr. 495 in der Stadt, von wo aus man die Übersicht nicht nur über die ganze Stadt hat, sondern auch über das Land um dieselbe, bis zum fernsten Horizonte, an dem die ungarischen Berge wie zarte Luftbilder dämmern. Die Sonne war bereits herauf und glänzte freundlich auf die rauchenden Donauauen nieder, auf die spiegelnden Wasser und auf die vielkantigen Formen der Stadt, vorzüglich auf die Stephanskirche, die fast greifbar nahe an uns aus der Stadt, wie ein dunkles, ruhiges Gebirge, emporstand.
Mit einem seltsamen Gefühl schaute man die Sonne an, da an ihr nach wenigen Minuten so Merkwürdiges vorgehen sollte. Weit draußen, wo der große Strom geht, lag ein dicke, lang gestreckte Nebellinie, auch im südöstlichen Horizonte krochen Nebel und Wolkenballen herum, die wir sehr fürchteten, und ganze Teile der Stadt schwammen in Dunst hinaus. An der Stelle der Sonne waren nur ganz schwache Schleier, und auch diese ließen große blaue Inseln durchblicken.
Die Instrumente wurden gestellt, die Sonnengläser in Bereitschaft gehalten, aber es war noch nicht an der Zeit. Unten ging das Gerassel der Wägen, das Laufen und Treiben an – oben sammelten sich betrachtende Menschen; unsere Warte füllte sich, aus den Dachfenstern der umstehenden Häuser blickten Köpfe, auf Dachfirsten standen Gestalten, alle nach derselben Stelle des Himmels blickend, selbst auf der äußersten Spitze des Stephansturmes, auf der letzten Platte des Baugerüstes stand eine schwarze Gruppe, wie auf Felsen oft ein Schöpfchen Waldanflug – und wie viele tausend Augen mochten in diesem Augenblicke von den umliegenden Bergen nach der Sonne schauen, nach derselben Sonne, die Jahrtausende den Segen herabschüttet, ohne dass einer dankt – heute ist sie das Ziel von Millionen Augen, aber immer noch, wie man sie mit dämpfenden Gläsern anschaut, schwebt sie als rote oder grüne Kugel rein und schön umzirkelt in dem Raume.
Endlich zur vorausgesagten Minute – gleichsam wie von einem unsichtbaren Engel – empfing sie den sanften Todeskuss, ein feiner Streifen ihres Lichtes wich vor dem Hauche dieses Kusses zurück, der andere Rand wallte in dem Glase des Sternenrohres zart und golden fort – »es kommt«, riefen nun auch die, welche bloß mit dämpfenden Gläsern, aber sonst mit freien Augen hinaufschauten – »es kommt«, und mit Spannung blickte nun alles auf den Fortgang.
Die erste, seltsame, fremde Empfindung rieselte nun durch die Herzen, es war die, dass draußen in der Entfernung von Tausenden und Millionen Meilen, wohin nie ein Mensch gedrungen, an Körpern, deren Wesen nie ein Mensch erkannte, nun auf einmal etwas zur selben Sekunde geschehe, auf die es schon längst der Mensch auf Erden festgesetzt.
Man wende nicht ein, die Sache sei ja natürlich und aus den Bewegungsgesetzen der Körper leicht zu berechnen; die wunderbare Magie des Schönen, die Gott den Dingen mitgab, frägt nichts nach solchen Rechungen, sie ist da, weil sie da ist, ja sie ist trotz der Rechnungen da, und selig das Herz, welches sie empfinden kann; denn nur dies ist Reichtum, und einen andern gibt es nicht – schon in dem ungeheuern Raume des Himmels wohnt das Erhabene, das unsere Seele überwältigt, und doch ist dieser Raum in der Mathematik sonst nichts als groß.
Indes nun alle schauten und man bald dieses, bald jenes Rohr rückte und stellte und sich auf dies und jenes aufmerksam machte, wuchs das unsichtbare Dunkel immer mehr und mehr in das schöne Licht der Sonne ein – alle harrten, die Spannung stieg; aber so gewaltig ist die Fülle dieses Lichtmeeres, das von dem Sonnenkörper niederregnet, dass man auf Erden keinen Mangel fühlte, die Wolken glänzten fort, das Band des Wassers schimmerte, die Vögel flogen und kreuzten lustig über den Dächern, die Stephanstürme warfen ruhig ihre Schatten gegen das funkelnde Dach, über die Brücke wimmelte das Fahren und Reiten wie sonst, sie ahneten nicht, dass indessen oben der Balsam des Lebens, Licht, heimlich versiege, dennoch draußen an dem Kahlengebirge und jenseits des Schlosses Belvedere war es schon, als schliche eine Finsternis oder vielmehr ein bleigraues Licht, wie ein wildes Tier heran – aber es konnte auch Täuschung sein, auf unserer Warte war es lieb und hell, und Wangen und Angesichter der Nahestehenden waren klar und freundlich wie immer.
Seltsam war es, dass dies unheimliche, klumpenhafte, tief schwarze, vorrückende Ding, das langsam die Sonne wegfraß, unser Mond sein sollte, der schöne sanfte Mond, der sonst die Nächte so florig silbern beglänzte; aber doch war er es, und im Sternenrohr erschienen auch seine Ränder mit Zacken und Wulsten besetzt, den furchtbaren Bergen, die sich auf dem uns so freundlich lächelnden Runde türmen.
Endlich wurden auch auf Erden die Wirkungen sichtbar und immer mehr, je schmäler die am Himmel glühend Sichel wurde; der Fluss schimmerte nicht mehr, sondern war ein taftgraues Band, matte Schatten lagen umher, die Schwalben wurden unruhig, der schöne sanfte Glanz des Himmel erlosch, als liefe er von einem Hauche matt an, ein kühle Lüftchen hob sich und stieß gegen uns, über die Auen starrte ein unbeschreiblich seltsames, aber bleischweres Licht, über den Wäldern war mit dem Lichterspiele die Beweglichkeit verschwunden, und Ruhe lag auf ihnen, aber nicht die des Schlummers, sondern die der Ohnmacht – und immer fahler goss sich‘s über die Landschaft, und diese wurde immer starrer – die Schatten unserer Gestalten legten sich leer und inhaltslos gegen das Gemäuer, die Gesichter wurden aschgrau – – erschütternd war dieses allmähliche Sterben mitten in der noch vor wenigen Minuten herrschenden Frische des Morgens.
Wir hatten uns das Eindämmern wie etwa ein Abendwerden vorgestellt, nur ohne Abendröte; wie geisterhaft ein Abendwerden ohne Abendröte sei, hatten wir uns nicht vorgestellt, aber auch außerdem war dies Dämmern ein ganz anderes, es war ein lastend unheimliches Entfremden unserer Natur; gegen Südost lag eine fremde, gelbrote Finsternis, und die Berge und selbst das Belvedere wurden von ihr eingetrunken – die Stadt sank zu unsern Füßen immer tiefer, wie ein wesenloses Schattenspiel hinab, das Fahren und Gehen und Reiten über die Brücke geschah, als sähe man es in einem schwarzen Spiegel – die Spannung stieg aufs höchste – einen Blick tat ich noch in das Sternrohr, er war der letzte; so schmal wie mit der Schneide eines Federmessers in das Dunkel geritzt, stand nur mehr die glühende Sichel da, jeden Augenblick zum Erlöschen, und wie ich das freie Auge hob, sah ich auch, dass bereits alle andern die Sonnengläser weggetan und bloßen Auges hinaufschauten – sie hatten auch keines mehr nötig; denn nicht anders als wie der letzte Funke eines erlöschenden Dochtes schmolz eben auch der letzte Sonnenfunken weg, wahrscheinlich durch die Schlucht zwischen zwei Mondbergen zurück – es war ein überaus trauriger Augenblick – deckend stand nun Scheibe auf Scheibe – und dieser Moment war es eigentlich, der wahrhaft herzzermalmend wirkte – das hatte keiner geahnet – ein einstimmiges »Ah« aus aller Munde, und dann Totenstille, es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.
Hatte uns früher das allmähliche Erblassen und Einschwinden der Natur gedrückt und verödet, und hatten wir uns das nur fortgehend in eine Art Tod schwindend gedacht: so wurden wir nun plötzlich aufgeschreckt und emporgerissen durch die furchtbare Kraft und Gewalt der Bewegung, die da auf eimmal durch den ganzen Himmel ging: die Horizontwolken, die wir früher gefürchtet, halfen das Phänomen erst recht bauen, sie standen nun wie Riesen auf, von ihrem Scheitel rann ein fürchterliches Rot, und in tiefem, kaltem, schwerem Blau wölbten sie sich unter und drückten den Horizont – Nebelbänke, die schon lange am äußersten Erdsaume gequollen und bloß missfärbig gewesen waren, machten sich nun geltend und schauerten in einem zarten, furchtbaren Glanze, der sie überlief – Farben, die nie ein Auge gesehen, schweiften durch den Himmel.
Der Mond stand mitten in der Sonne, aber nicht mehr als schwarze Scheibe, sondern gleichsam halb transparent wie mit einem leichten Stahlschimmer überlaufen, rings um ihn kein Sonnenrand, sondern ein wundervoller, schöner Kreis von Schimmer, bläulich, rötlich, in Strahlen auseinander brechend, nicht anders, als gösse die oben stehende Sonne ihre Lichtflut auf die Mondeskugel nieder, dass es rings auseinander spritzte – das Holdeste, was ich je an Lichtwirkung sah!
Draußen weit über das Marchfeld hin lag schief eine lange, spitze Lichtpyramide grässlich gelb, in Schwefelfarbe flammend und unnatürlich blau gesäumt; es war die jenseits des Schattens beleuchtete Atmosphäre, aber nie schien ein Licht so wenig irdisch und so furchtbar, und von ihm floss das aus, mittels dessen wir sahen. Hatte uns die frühere Eintönigkeit verödet, so waren wir jetzt erdrückt von Kraft und Glanz und Massen – unsere eigenen Gestalten hafteten darinnen wie schwarze, hohle Gespenster, die keine Tiefe haben; das Phantom der Stephanskirche hing in der Luft, die andere Stadt war ein Schatten, alles Rasseln hatte aufgehört, über die Brücke war keine Bewegung mehr; denn jeder Wagen und Reiter stand und jedes Auge schaute zum Himmel.
Nie, nie werde ich jene zwei Minuten vergessen – es war die Ohnmacht eines Riesenkörpers, unserer Erde.
Wie heilig, wie unbegreiflich und wie furchtbar ist jenes Ding, das uns stets umflutet, das wir seelenlos genießen und das unseren Erdball mit solchen Schaudern zittern macht, wenn es sich entzieht, das Licht, wenn es sich nur kurz entzieht.
Die Luft wurde kalt, empfindlich kalt, es fiel Tau, dass Kleider und Instrumente feucht waren – die Tiere entsetzten sich; was ist das schrecklichste Gewitter, es ist ein lärmender Trödel gegen diese todesstille Majestät – mir fiel Lord Byrons Gedicht ein: Die Finsternis, wo die Menschen Häuser anzünden, Wälder anzünden, um nur Licht zu sehen – aber auch eine solche Erhabenheit, ich möchte sagen Gottesnähe, war in der Erscheinung dieser zwei Minuten, dass dem Herzen nicht anders war, als müsse er irgendwo stehen.
Byron war viel zu klein – es kamen, wie auf einmal, jene Worte des heiligen Buches in meinen Sinn, die Worte bei dem Tode Christi: »Die Sonne verfinsterte sich, die Erde bebte, die Toten standen aus den Gräbern auf, und der Vorhang des Tempels zerriss von oben bis unten.«
Auch wurde die Wirkung auf alle Menschenherzen sichtbar. Nach dem ersten Verstummen des Schrecks geschahen unartikulierte Laute der Bewunderung und des Staunens: der eine hob die Hände empor, der andere rang sie leise vor Bewegung, andere ergriffen sich bei denselben und drückten sich – eine Frau begann heftig zu weinen, eine andere in dem Hause neben uns fiel in Ohnmacht, und ein Mann, ein ernster fester Mann, hat mir später gesagt, dass ihm die Tränen herabgeronnen.
Ich habe immer die alten Beschreibungen von Sonnenfinsternissen für übertrieben gehalten, so wie vielleicht in späterer Zeit diese für übertrieben wird gehalten werden; aber alle, so wie diese, sind weit hinter der Wahrheit zurück. Sie können nur das Gesehene malen, aber schlecht, das Gefühlte noch schlechter, aber gar nicht die namenlos tragische Musik von Farben und Lichtern, die durch den ganzen Himmel liegt – ein Requiem, ein Dies Irae, das unser Herz spaltet, dass es Gott sieht und seine teuren Verstorbenen, dass es in ihm rufen muss: »Herr, wie groß und herrlich sind deine Werke, wie sind wir Staub vor dir, dass du uns durch das bloße Weghauchen eines Lichtteilchens vernicht kannst und unsere Welt, den holdvertrauten Wohnort, einen fremden Raum verwandelst, darin Larven starren!«
Aber wie alles in der Schöpfung sein rechtes Maß hat, auch diese Erscheinung, sie dauerte zum Glücke sehr kurz, gleichsam nur den Mantel hat er von seiner Gestalt gelüftet dass wir hineingehen, und Augenblicks wieder zugehüllt, dass alles sei wie früher.
Gerade, da die Menschen anfingen, ihren Empfindungen Worte zu geben, also da sie nachzulassen begannen, da man eben ausrief: »Wie herrlich, wie furchtbar« – gerade in diesem Momente hörte es auf: mit eins war die Jenseitswelt verschwunden und die hiesige wieder da, ein einziger Lichttropfen quoll am oberen Rande wie ein weißschmelzendes Metall hervor, und wir hatten unsere Welt wieder – er drängte sich hervor, dieser Tropfen, wie wenn die Sonne selber darüber froh wäre, dass sie überwunden habe, ein Strahl schoss gleich durch den Raum, ein zweiter machte sich Platz – aber ehe man nur Zeit hatte zu rufen: »Ach!« bei dem ersten Blitz des ersten Atomes, war die Larvenwelt verschwunden und die unsere wieder da: und das bleifarbene Lichtgrauen, das uns vor dem Erlöschen so ängstlich schien, war uns nun Erquickung, Labsal, Freund und Bekannter, die Dinge warfen wieder Schatten, das Wasser glänzte, die Bäume waren wieder grün, wir sahen uns in die Augen – siegreich kam Strahl an Strahl, und wie schmal, wie winzig schmal auch nur noch erst der leuchtend Zirkel war, es schien, als sei uns ein Ozean von Licht geschenkt worden – man kann es nicht sagen, und der es nicht erlebt, glaubt es kaum, welche freudige welche siegende Erleichterung in die Herzen kam: wir schüttelten uns die Hände, wir sagten, dass wir uns zeitlebens daran erinnern wollen, dass wir das miteinander gesehen haben – man hörte einzelne Laute, wie sich die Menschen von den Dächern und über die Gassen zuriefen, das Fahren und Lärmen begann wieder, selbst die Tiere empfanden es; die Pferde wieherten, die Sperlinge auf den Dächern begannen ein Freudengeschrei, so grell und närrisch, wie sie es gewöhnlich tun, wenn sie sehr aufgeregt sind, und die Schwalben schossen blitzend und kreuzend hinauf, hinab, in der Luft umher.
Das Wachsen des Lichtes machte keine Wirkung mehr, fast keiner wartete den Austritt ab, die Instrumente wurden abgeschraubt, wir stiegen hinab, und auf allen Straßen und Wegen waren heimkehrende Gruppen und Züge in den heftigsten, exaltiertesten Gesprächen und Ausrufungen begriffen. Und ehe sich noch die Wellen der Bewunderung und Anbetung gelegt hatten, ehe man mit Freunden und Bekannten ausreden konnte, wie auf diesen, wie auf jenen, wie hier, wie dort die Erscheinung gewirkt habe, stand wieder das schöne, holde, wärmende, funkelnde Rund in den freundlichen Lüften, und das Werk des Tages ging fort.
Wie lange aber das Herz des Menschen fortwogte, bis es auch wieder in sein Tagewerk kam, wer kann es sagen? Gebe Gott, dass der Eindruck recht lange nachhalte, er war ein herrlicher, dessen selbst ein hundertjähriges Menschenleben wenige aufzuweisen haben wird. Ich weiß, dass ich nie, weder von Musik noch Dichtkunst, noch von irgendeiner Naturerscheinung oder Kunst so ergriffen und erschüttert worden war – freilich bin ich seit Kindheitstagen viel, ich möchte fast sagen, ausschließlich mit der Natur umgegangen und habe mein Herz an ihre Sprache gewöhnt und liebe diese Sprache, vielleicht einseitiger, als es gut ist; aber denke, es kann kein Herz geben, dem nicht diese Erscheinung einen unverlöschlichen Eindruck zurückgelassen habe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert