125. Güldener Oktober Brösel

1. • Frankfurter Buchmesse
Drei Tage verbrachte ich in unserm Cafe der Verlage … wo man mitten auf der Messe ungestört Gespräche führen, ja manchmal einfach ganz ruhig sitzen kann/konnte. Um Bestellungen habe ich mich nicht gekümmert, keine Ahnung, ob es welche gab. Wie immer gab es einige herzliche Begegnungen, die sich teilweise wie ein Klassentreffen anfühlten. Ein Beispiel: Christof Wackernagel und sein afrikanischer Sohn. Wie sehen uns nur selten, aber er hat wohl noch einen Brief von mir …von 1974…
Grundsätzlicher ist die Messe in meiner Wahrnehmung außerhalb unseres Cafes aber hektischer und aggressiver geworden. Zum einen die zunehmenden Rempeleien mit orientierungslosen Handy-Glotzern. Zum andern kam ich gerade an den Trikont-Stand (um ihnen, dem Label meiner Flashbacks-CDs, zum 50. zu gratulieren), als Achim mit geschwollener und blutiger Backe von der Polizei befragt wurde. Nur Minuten vorher hatte ihm ein Rechter einen professionellen Faustschlag ins Gesicht gedonnert. Grund: Achim hatte sich bei einer Lesung (Vortrag?) eines Rechten gegen die 68er per Zwischenruf protestiert…
www.fnp.de

So denke ich, daß es wohl meine letzte Buchmesse war (mal sehen, was ich in einem Jahr dazu meine…).
Vielleicht schaffe ich es, Belege von meinem ersten BuchmessenBesuch 1968 anzuhängen.
Damals war ich direkt aus der Nachtwache zur Paulskirchen-Demo gegen Mr. Senghor durchgestartet, hatte vor Ort Hand mit angelegt und war dann anschließend bei der Buchmesse ohne Ticket über die Mauer… Dort wurde ich von ZivilPolizisten als ‚der Langhaarige von der Demo‘ wiedererkannt (jaja, die 68er waren doch recht bieder), für eine Nacht (für 4,50 DM) eingebuchtet und nach einem Jahr gab es den Prozeß… Nein, zu einer Verurteilung ist es bei mir nie gekommen…

2. • VG WORT
Am 2. Buchmessentag hatte Alex auf meinen Vorschlag Verleger-Kollegen ins Cafe eingeladen, daß wir uns über unsere Reaktionen etc. zum VG WORT-Problem austauschen. Allein: es kam nur ein junger Schreiber der Frankfurter Allgemeinen, aber kein Verleger-Kollege. Einige haben wohl schon gezahlt, andere geben auf, aber bislang habe ich noch keinen Kollegen getroffen, der es wie ich dickköpfig auf ein Gerichtsverfahren ankommen läßt…

Nochmal die Hintergründe: Die VG WORT hat mehrere Jahre den Verlegern Geld ausgezahlt, das eigentlich den Autoren zusteht. Nun sollen die Verleger (ich über 4000€) an die VG zahlen, die dieses Geld dann irgendwann an die Autoren auszahlt. Die Autoren haben aber bislang noch keine entsprechenden Infos von der VG WORT erhalten. Das bedeutet konkret: Als Verleger muß ich in die Insolvenz, um dann irgendwann als Autor Geld zurück zu bekommen. Dazu die Rechtsabteilung der VG: „Schließlich sind Sie als Autor einerseits und Ihr Verlag anderseits aus Sicht der VG WORT grundsätzlich unterschiedliche Vertragspartner, die wir unsererseits nicht ohne weiteres miteinander vermengen können.“

3. • Dope & Glory!
Zu zwei meiner Trikont CDs: Im Mojo Magazine füllte And Gill vor einiger Zeit fünf Seiten über die Drogenkarriere von Bob Dylan „Just bend your mind a little…“. Daraus ein Zitat:
„Listen to one of the anthologies of early 20th century ‚reefer songs‘ – such as Trikont‘s marvelous Dope & Glory and Drug Songs: High & Low – and you‘ll find a vast repository of good-natured celebrations of getting out of our head, from some of the most famous names in music…“ Es folgen noch fünfzehn Zeilen.
Ein Kompliment über das ich mich als Compilator freue.

4. • Allyson & Alex Grey
„Am 3. Juni 1976 hatten der New Yorker Maler Alex Grey und seine Frau Allyson ein übereinstimmendes mystisches Erlebnis: die Vision eines «kosmischen Bewusstseinsgitters», eines «unendlichen Netzwerks, das sich in alle Richtungen verzweigte und von strahlend leuchtender Liebesenergie belebt wurde, die es durchfloss. Wir waren das Licht, und das Licht war Gott.»
Diese Vision gab Greys künstlerischer Laufbahn die entscheidende Wende: Seither offenbaren seine Werke die «reale» materielle Welt als einen «Schleier von Trugbildern», hinter dem Alex «die energetische Struktur der Schöpfung, die endgültige, ewige und unendliche Wirklichkeit» blosszulegen versucht.
2006 haben wir ihn für das Symposium «LSD – Sorgenkind und Wunderdroge» anlässlich des 100. Geburtstags von Albert Hofmann nach Basel eingeladen, ebenso 2008 zum «Welt Psychedelik Forum». Alex ist ein inspirierender Redner und bietet in seinen Workshops – mittels Meditationen, schamanischen Zugängen, Vorträgen und Visualisierungen – an eigener künstlerischer Entwicklung Interessierten auf jedem Entwicklungsstand eine Gelegenheit, das eigene mystische Auge zu entwickeln.
Ich freue mich, ihn und seine Frau Allyson im Oktober wieder in Basel zu Gast zu haben und freue mich Dich dort anzutreffen.
Die Events werden vom Basler Psi-Verein in Zusammenarbeit mit der Gaia Media Stiftung durchgeführt.
Herzliche Grüsse
Lucius Werthmüller, Gaia Media Stiftung“

Veranstaltungen:
Vortrag: Kosmische Kreativität – Wie Kunst das Bewusstsein entfaltet, Fr 20. Okt. 2017
Seminar: Juwelen der Bewusstheit – Verwandle Deine mystischen Visionen in Kunst, Sa/So 21./22. Oktober 2017

{Falls Du dort hingehst, richte den Greys doch bitte liebe Grüße von mir aus. Danke!}

5. • Delphine in Bewegung
(In bleibender Verbundenheit mit Antonietta & John C. Lilly)

www.facebook.com

6. • Warum produzieren ‚Zauberpilze‘ Psylicibin?
Viele von uns wissen, was der Genuß dieser Pilze im menschlichen Hirn bewirken kann. Aber die Pilze produzieren diesen Stoff ja wohl nicht, um Menschen anzutörnen, sondern es geht ihnen um das eigene Wohlbefinden … d.h. diese Stoffe können z.B. natürliche Feinde der Pilze verwirren bzw. abstossen.
Der New Scientist brachte in seiner Ausgabe vom 26. August einen Beitrag ‘Reason for magic mushroom‘s trip‘ und verweist darin auf drei aktuelle Forschungen & Forscher:
• Jason Slot, Ohio State University, (bioRxiv,doi.org/cbx2)
• Peter Spiteller, Uni Bremen
• Dirk Hoffmeister, Uni Jena (Angewandte Chemie,doi.org/gbp6hh)

7. Heidelberger Zeitschriften-Sammlung digital
Die Uni-Bibliothek Heidelberg (der ich sehr viel verdanke!) macht nun ihre weltweit einzigartig digitalisierte Zeitschriften-Sammlung kostenlos zugänglich. Es stehen fast 4000 Zeitschriftenbände mit mehr als einer Millionen Seiten im Netz. DIeses Angebot wurde im ersten Jahr von fast einer Millionen User aus fast 190 Ländern genutzt.
artjournals.uni-hd.de
www.ub.uni-heidelberg.de

8. • Vom Blitz getroffen – und überlebt
Infos via
lightning strike & electric shock survivors international
This is what it’s like to be struck by lightning
If you’re hit by lightning, there’s a nine in ten chance you’ll survive. But what are the lasting effects of being exposed to hundreds of millions of volts? Charlotte Huff investigates.
www,mosaicscience.com

9. • Kleine Dinge groß im Bild
www.petapixel.com

10. • Le Chambon-sur-Lignon ist eine französische Gemeinde mit 2553 Einwohnern im Département Haute-Loire in der Region Auvergne-Rhône-Alpes.

Das hugenottische Städtchen auf dem Hochplateau der Cevennen im Zentralmassiv am Flüsschen Lignon du Velay wurde bekannt durch die Hilfe seiner Einwohner für die von den Nationalsozialisten und dem Regime des Marschalls Pétain bedrohten Juden.

Von 1942 an nahmen die Einwohner auf Initiative des Pfarrers André Trocmé, seiner Frau Magda und anderer Bürger Juden auf, die von der Verschleppung in die Konzentrationslager bedroht waren. Sie wurden in den Häusern der Bewohner, in den Bauernhöfen der Umgebung und sogar in öffentlichen Gebäuden untergebracht. Wenn Patrouillen der Deutschen anrückten, wurden sie auf dem Land außerhalb des Ortes versteckt. Zogen die Patrouillen wieder ab, gingen die Einwohner in die Wälder und sangen ein bestimmtes Lied, um den Juden anzuzeigen, dass die unmittelbare Gefahr vorüber sei.

Unter anderem hatte das Comité inter mouvements auprès des évacués – Service œcuménique d’entraide (CIMADE) im Ort das Hotel „Coteau Fleuri“ als Maison d’accueil angemietet. Hier wurden im Juli 1942 fünfunddreißig bisherige Gefangene aus dem Camp de Gurs untergebracht, die allerdings bereits im August weiter fliehen mussten.

Zusätzlich besorgten die Bewohner dieser Gegend Ausweispapiere und Lebensmittelkarten und unterstützten die Verfolgten beim Grenzübertritt in die Schweiz. Einige Einwohner wurden verhaftet, unter anderem Daniel Trocmé, der Cousin des Pfarrers, der im KZ Majdanek verstarb.

August Bohny gründete und leitete von 1941 bis 1944 im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft für kriegsgeschädigte Kinder (SAK) (ab 1942 Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes) die Kinderhäuser Abric, Faidoli, Atelier Cévenol und Ferme Ecole, wo rund 200 Kinder jeweils etwa sechs Monate verbrachten. Friedel Bohny-Reiter leitete von 1943 bis 1944 das Haus Abric. Sie halfen Pfarrer André Trocmé und den einheimischen Flüchtlingshelfern, zahlreiche Kinder vor Razzien und Deportationen zu retten, zu verstecken oder in die Schweiz in Sicherheit zu bringen.

In der Gegend von Chambon-sur-Lignon wurden 3000 bis 5000 Personen durch das Engagement ihrer Bewohner vor dem sicheren Tod in den Lagern gerettet. Das Verstecken der Flüchtlinge geschah in der ganzen Region, in Fay-sur-Lignon, Chaumargeais, Le Mazet-Saint-Voy, Tence, Les Tavas, Freycenet-Saint-Jeures, Chapignac, und Saint-Agrève. Es gab 20 bis heute bekannte Unterbringungsmöglichkeiten in 12 protestantischen Gemeinden bis hin zur Ardèche. Beteiligt waren insgesamt 23 Pfarrer, dazu kamen als Helfer einzelne katholische Priester sowie die in der Gegend vertretenen „Darbysten“.

1990 erkannte die israelische Regierung die Region wegen des humanitären Einsatzes und des mutigen Widerstandes in der Gefahr als „Gerechte unter den Völkern“ an. Im Mahnmal „Yad Vashem“ ehrt eine Stelle im Garten der Gerechten die Region – eine solche gemeinschaftliche Ehrung erfuhr sonst nur das Dorf Nieuwlande in der niederländischen Provinz Drenthe. 59 Personen der Region wurden als Individuen oder Paare (Ehepaare, Geschwister oder Eltern-Kind-Paare) ebenfalls als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet.

1942 kam Albert Camus nach Le Chambon, um eine Tuberkulose auszukurieren. Hier schrieb er Das Missverständnis und arbeitete an seinem Roman Die Pest. Camus’ Gedanken in seinem Tagebuch von 1942 ähneln denen Trocmés, der einem Vichy-Funktionär auf dessen einschüchternde Vorhaltung, wie gefährlich „die Juden“ seien, antwortete:

“We do not know what a Jew is. We know only men.”

„Wir wissen nicht, was ein Jude ist. Wir kennen nur Menschen.“

Der schweizerische Künstler Hans Beutler leitete in dieser Zeit ein Kinderheim. Eines der zahlreichen Kinder, die in Le Chambon durch die Hilfe der Bewohner den Holocaust überleben konnten, war der spätere Mathematiker Alexander Grothendieck.

Warum haben wir davon nie etwas in der Schule gehört?

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